
Dr. Winkgen hilft in Uganda
Als Augenärztin in Afrika unterwegs
Im Dezember 2014 reiste Frau Dr. Andrea Winkgen nach Uganda, um dort zwei Projekte ehrenamtlich als Augenärztin zu unterstützen: Das Selbsthilfeprojekt “Our Children and our future” in Masaka und ein Projekt der Augenklinik Kasana. Über ihre Erfahrungen lesen Sie hier in ihrem Artikel.
In Uganda sind von 35 Mio. Einwohnern 350.000 am grauen Star erblindet und diese Zahl erhöht sich jährlich um rund 3000. Die Operationstechniken entsprechen meist nicht einmal denen in der Dritten Welt üblichen.
Erste Untersuchungen in der Nähe des Gästehauses
Schon die Anreise nach Kamunkongo war höchstinteressant. Nach einer 15stündigen Reise sind wir von Emmanuel Masoke mit Franz Lebfromm, dem Gründer der Stiftung: “Our children and our future”, um 5.00 Uhr morgens am Flughafen Entebbe von einem Matatu abgeholt worden. Ein Matatu ist ein Taxibus, in dem normalerweise 12 Personen Platz finden, in den Städten aber oft auch 24 befördert werden. Es brachte uns zu einem Gästehaus in der Nähe des Flughafens. Denn nachts zu fahren ist sehr gefährlich und zusätzlich war auf weiten Strecken der geteerten Landstraßen die obere Schicht 5-7 cm tief ohne Kennzeichnung herausgefräst worden, so dass es auch im Hellen eine Herausforderung war, diese Gefahrenstellen zu umfahren. Das Gästehaus war ganz schön, jedoch ohne warmes Wasser.
Wir untersuchten am Sonntag schon 15 Patienten, die mit Emmanuel und Goretti Musoke verwandt und bekannt waren in der Nähe des Gästehauses im Haus von Emmanuels Eltern mit unseren Handgeräten, die wir extra zu diesem Zweck mitgebracht hatten. Es war diesen Patienten nicht möglich, nach Kamukongo zur Untersuchung zu kommen. Die Sehtafel wurde einfach am Terrassenpfosten aufgehängt, die Sehschärfe geprüft und die Patienten mit Tropfen gegen die Augentrockenheit, eine weit verbreitete Erkrankung dort, Lesebrillen oder einen Termin für eine Operation des grauen Stares im Kasana Eye Hospital (Direktor Dr. R. Gerl) versorgt.
Dann fuhren wir weitere 3-4 Stunden, bis wir im Gebiet des Waisenhauses – schon lange gab es keine geteerte Straße mehr – ankamen. Wir hatten das Glück, im neu errichteten Gästehaus wohnen zu dürfen. Hier gibt es sogar eine Dusche mit warmem Wasser, eine Seltenheit auf dem Lande in Uganda.

Unsere Arbeit im Haide-Helmut Health Center und im Eye Hospital Kasana
Bei unserer Ankunft im Haide-Helmut Health Center erwarteten uns Robert Bogere, der Ingenieur und technische Leiter der Augenklinik in Kasana (Eye Hospital Kasana), bereits mit Krankenschwester Lilian. Robert Bogere hatte die Spaltlampe schon aufgebaut und die gespendeten Lesebrillen sortiert. Krankenschwester Lilian sprach zunächst vor allen Patienten und erklärte, wie die Untersuchung ablaufen würde und sagte einiges zur Hygiene. Dann führte sie Lesetests durch.
Im Durchschnitt untersuchten wir 50 Patienten pro Tag. Die häufigsten angegebenen Beschwerden während unserer Sprechstunde waren: schlechtes Sehen durch den grauen Star, Leseprobleme und trockene Augen. Denn das Leben spielt sich ja vorwiegend draußen in der Natur und damit im Staub ab.
Auch einige erschütternde, beidseitige Erblindungen durch den Grünen Star (erhöhter Augeninnendruck) mussten wir diagnostizieren. Hier hätte mit der frühzeitigen, regelmäßigen Gabe von Augentropfen die Erblindung verhindert werden können. Hier fühlte ich mich so hilflos, denn auch bei den Patienten mit grünem Star, die ich herausgefiltert hatte und die noch nicht erblindet waren, konnte ich nur Tropfen für einen Monat mitgeben und die regelmäßigen Augenarztbesuche dringendst ans Herz legen. Dass das Geld für Arztbesuche nicht vorhanden war, war vielen Patienten anzusehen.
Ein zwei Monate altes Baby kam mit zusammengewachsenen Augenlidern. Ich konnte ertasten, dass kein vollständiger Augapfel darunter vorhanden war. Auch dieser Mutter war bereits der Weg in die Augenklinik angeraten worden, aber sie hatte kein Geld.
Von einer älteren Frau waren wir sehr beeindruckt: Sie litt unter Kinderlähmung und kam auf allen Vieren ins Untersuchungszimmer mit dem Gesäß nach oben gereckt. Nur mit Hilfe ihres Sohnes gelangte sie vor die Untersuchungslampe, denn sie hatte zudem Parkinson und zitterte stark. Ich musste die Diagnose Grauer Star stellen und habe ihr empfohlen, aufgrund der schlechten Sehschärfe und des sonst gut aussehenden Auges die kostenlose Operation wahrzunehmen. Das Lächeln, das sofort nach der Übersetzung ihr Gesicht erhellte, werde ich nicht so schnell vergessen. Sie stimmte sofort zu. Ich hoffe sehr, dass der Transport und alles Weitere so geklappt hat, wie wir es uns vorgestellt haben.
In Uganda ist die Hauptfortbewegungsmöglichkeit das Boda-Boda fahren. Hierbei handelt es sich um Motorräder mit langer Bank, auf der bis zu vier Personen sitzen – erlaubt sind nur zwei. Wenn man einmal gesehen hat, wie schnell sich die Fahrer durch den starken Verkehr schlängeln, nimmt man lieber Abstand davon. Ich habe Patienten untersucht, die durch den frontalen Aufprall bei Boda-Boda-Unfällen starke Verletzungen der Mittelgesichtsknochen und natürlich auch des restlichen Körpers erlitten hatten. Bei einem Patienten war ein Auge ca. 3 cm unterhalb seines eigentlichen Platzes nach gebrochener Augenhöhle nach unten abgesackt. Es konnte durch den dadurch verletzten Sehnerven natürlich auch nichts mehr sehen.
Niclas, Alice und ich merkten, dass wir als Weiße (Muzungus) den Patienten zum Teil etwas unheimlich waren. Die Landbevölkerung hat zum größten Teil noch nie einen Menschen mit weißer Haut, geschweige denn Ärzte und Fachärzte gesehen. Sie hatten großen Respekt, manche sogar Angst vor uns. Diese konnten wir ihnen jedoch nehmen, weil immer ein freundlicher, geduldiger Übersetzer – wie Robert oder Goretti – dabei war. Sie haben sie beruhigt und ihnen mit einer Engelsgeduld alles erklärt – auch mehrmals. Man konnte merken, dass die Patienten mit allem überfordert waren; mit Ausnahme der Patienten, die die Chance bekommen hatten, in die Schule zu gehen. Sie waren offener und stellten auch Fragen.
Viele Patienten konnten wir mit Lesebrillen versorgen. Auch wenn sie nicht lesen konnten, so brauchten sie doch z.B. fürs Flicken oder andere Tätigkeiten eine Sehhilfe. Ca. 30 Spezialbrillen werden noch durch Hanfred Spirgatis in seiner Brillenschleiferei kostenlos gefertigt und dann im März wieder mit nach Uganda genommen. Wenn wir sie schicken würden, könnte es sein, dass der Zoll erhebliche Gebühren aufschlägt.
28 Patienten konnten wir eine kostenlose Operation des grauen Stars anbieten. Auch der Transport und die Unterkunft für eine Nacht in Kasana nach der erfolgten Operation ist finanziell geregelt. Durch eingegangene Spenden aus dem Freundeskreis von Andrea Winkgen, von Patienten des Augenzentrums Lüdenscheid und sogar von einem Schüler ihres Mannes kamen insgesamt ca. 3500,- Euro zusammen.
Als Überraschung für uns gab es am letzten Tag eine Abschiedsfeier, bei der wir mit liebevoll zubereitetem Essen, Liedern, Tänzen und Sketchen zwei Stunden lang durch die Waisenkinder und -jugendlichen verwöhnt wurden. Alle diese Kinder sprechen Englisch, manche sogar etwas Deutsch. Uns schwappte soviel Liebe entgegen, dass es kaum auszuhalten war. Alle dort sind glücklich die Chance zu bekommen, in die Schule gehen zu dürfen. Die Stimmung ist rund um die Uhr positiv. Wir haben nie ein schlecht gelauntes Kind oder Jugendlichen erlebt. Natürlich hatten wir auch alle Kinder mituntersucht und kannten sie daher.
Wir werden diesen Einsatz in ein paar Jahren bestimmt wiederholen. Jetzt wissen wir ja, worauf wir achten müssen und können uns noch detaillierter vorbereiten. Die Eindrücke haben unser aller Leben beeinflusst und zur “Erdung” beigetragen. Man weiß Kleinigkeiten wieder zu schätzen, die in unserer Welt selbstverständlich sind (z.B. Zahnpasta, Spülmittel, ständig Strom haben zu dürfen, eine Waschmaschine und Spülmaschine nutzen zu können und vieles mehr). Niclas hat jetzt den Wunsch geäußert, evtl. Arzt werden zu wollen, was mich ein bisschen stolz gemacht hat. 😉
Hintergrundinformationen zu meiner Reise
Ein benachbartes Ärzteehepaar von mir (Dres. Haide und Helmut Cuntze) hat vor 4 Jahren nach dem Eintritt in den Ruhestand mit Freunden und Nachbarn ein Gesundheitszentrum in Kamukongo/Uganda errichtet. Haide und Helmut Cuntze arbeiten seither jährlich dort, versorgen so die Patienten aus der näheren Umgebung und haben für die ständige Einrichtung mit ausgebildeten Krankenschwestern gesorgt. Dr. Gunter Glaser aus Wermelskirchen, ein Freund, war schon zweimal dort und hat in 3 Wochen bis zu 1000 Zähne gezogen oder behandelt. Dres. Sonja und Lars Klarhof, ebenfalls Nachbarn von mir, haben die Finanzierung der Schule übernommen. Durch diese privaten Kontakte entstand die Idee, auch die Augen der Patienten in dieser Region zu untersuchen.
Ich war vom 6. bis 13.12.2014 mit meinem Neffen Niclas und meiner Freundin Alice Schöpp in Kamunkongo, im Gebiet von Kasana/Uganda und habe eine Woche Patienten untersucht und Brillen verordnet.
600 Lesebrillen wurden dafür kostenfrei geliefert von der Stiftung Bazungu e.V., die von Hanfred Spirgatis gegründet wurde www.kayunga.com, info@bazungo-ev.com, übergeordnet: Hilfe für Afrika, UHECA Health- & Eyecare Association www.uganda-health.com. Spezialbrillen werden extra gefertigt und zugeschickt.
Die Patienten, die ich zur Operation des Grauen Stares herausfiltern konnte, wurden vom Team der Augenklinik Ahaus (Direktor Dr. Ralf Gerl) in Kasana, 120 km von Kamunkongo entfernt, operiert. Für die Kosten der anstehenden Operationen (50,- Euro kostet die Operation eines Auges) sammelte ich bereits ca. 2000,- Euro an Spenden von Freunden und Patienten. Im März 2015 ist das Team von Ralf Gerl wieder in Kasana, wo in zwei Schichten bis zu 30 Patienten am Tag nach europäischem Standard operiert werden.
Seit 3 Jahren wurde zweimal jährlich durch das Team der Augenklinik Ahaus in Kasana operiert. Die jetzige Augenklinik wurde vor dem ersten Einsatz des Teams zunächst erst einmal hergerichtet, damit überhaupt nach europäischen Standards operiert werden konnte. Jetzt wird für den Bau einer neuen Augenklinik gesammelt. Die Planungen laufen auf Hochtouren.
Wer spenden möchte, gerne unter:
Spendenkonto:
Augenärzte für die Welt
Gemeinnützige GmbH
Sparkasse Westmünsterland
IBAN: DE84 4015 4530 0033 0208 35
Helfen Sie mit!
Mit unserer Arbeit waren wir vollauf zufrieden. Das Projekt “Our Children and our future” und das Projekt der Augenklinik in Kasana sind beide absolut unterstützungswürdig. Wenn Sie auch helfen möchten, finden Sie hier die weitere Kontaktdaten:
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Selbsthilfeprojekt in Masaka/ Uganda e.V. “Our Children and our future”, Ueberfeldersteasse 10 42855 Remscheid, franz.lebfromm@gmx.de
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Projekt der Augenklinik in Kasana www.uganda-health.com